Spiele-Empfehlungen
Auf dieser Seite stellen ein paar unserer Mitglieder euch ihre Lieblingsspiele vor. Hier gibt es keine Reviews mit Ausgewogenheitsanspruch, sondern ganz subjektive Erklärungen, warum uns etwas begeistert. Alle Bilder stammen von unseren Mitgliedern.
Bitoku (2021)
Designer: Germán P. Millán
Künstler: Edu Valls
Verlag: Devir
Empfehlung von: Janina
Darum geht’s: Sehr buntes Worker Placement mit viel japanischer Mythologie
Ich gebe es zu, ich stehe auf Spiele mit schönem Artstyle. Ich kaufe Brettspiele nach der Verpackung. Und ich schäme mich nicht einmal.
Vor allem mag ich Japano-Asia-Fantasy-Artsyle. Als ich Bitoku im Laden im Regal sah, habe ich es gekauft, ohne jemals etwas davon gehört zu haben. Weil es so hübsch aussah. Es trifft so 110% genau diesen Stil, wie ich es vorher noch nie gesehen habe.
Was ich am liebsten an Bitoku mag, ist die Hingabe für japanische Mythologie. Selbst die Anleitung kennt in dieser Hinsicht keine Grenzen, auch wenn es manchmal zu Lasten der Verständlichkeit geht. Der Große Geist möchte alsbald in seine wohlverdiente Rente gehen und wir bewerben uns um seine Nachfolge. Über unsere Kontakte im Wald und das kluge Ausspielen von anderen mythologischen Figuren und Geistern begleiten wir Pilger auf ihrem Weg der Erleuchtung, um uns so als nächsten Große Geist zu beweisen. Wie in jedem guten Eurogame gewinnt der oder diejenige mit den meisten Siegpunkten (hier: Tugendpunkte) und wird der nächste Groß-Geist.
In Bitoku spielen wir allerdings nicht irgendwelche Aktionskarten oder seelenlose Plättchen auf eine Ablage. Nein, jede Karte, jeder Punktemarker ist eine japanische mythologische Figur. Wir bestechen Mitamas mit Sake, damit sie uns helfen, Aufgaben zu lösen. Neue Yokaikarten geben uns mehr Möglichkeit voranzukommen. Bitokus sammeln wir wie seltene Pokemonkarten und erhalten umso mehr Belohnungen, je öfter wir ihnen begegnen. Währenddessen nennen nicht so märchenfeste Geister (Mitspieler*innen) die Kodamas Zwiebelsäckchen, um überhaupt die ganzen Fantasy-Figuren benennen zu können. Ganz nebenbei bauen wir noch Unterkünfte mit Onsen zur Rast für Pilger, die dank uns immer weiter auf ihrem Weg der Erleuchtung vorankommen und dort ihre innere Ruhe finden können.
Bitoku ist ein kleiner Wettstreit um die besten Positionen im Wald auf dem Weg Groß-Geist zu werden, ein Bestehen und Ausbooten gegen die anderen Geister. Wenn uns dann doch mal der Übermut packt und wir denken, dass wir eigentlich schon der beste Geist für diese Position sind, holt uns der Weg über den Fluss ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurück.
Auch wenn die Beschreibung überwältigend scheint, kommt Bitoku ganz ohne Text aus und ist daher sprachneutral, was ich an Spielen sehr schätze.
Für wen ist Bitoku: Wer pastellfarbene Eurogames mag, Workerplacement und Mini-Deckbuilding.
Für wen ist Bitoku nichts: Menschen mit Analaysis Paralysis.
High Frontier 4 All (2020)
Designer: Phil Eklund
Verlag: Ion Game Design
Empfehlung von: Florian
Darum geht’s: Bizarr detailverliebte pseudorealistische Weltraum-Erschließung mit viel gemurmeltem Hin- und Her-Rechnen.
Neben vielen anderen Arten der Unterteilung kann man Brettspiele in zwei Gruppen trennen: Ehrliche und unehrliche Spiele. Das großartige Root z.B. ist unehrlich. Das niedliche Cover und die putzigen Tier-Meeple suggerieren ein locker-luftiges Wohlfühlspiel mit leichtem Konflikt, das eigentliche Spiel ist aber ein unbarmherziger Kampf um den Sieg, bei dem Diplomatie nur die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist.
High Frontier hingegen ist in seiner ganzen Aufmachung absolut ehrlich. Wer das Brett sieht, hat normalerweise einen von zwei Gedanken:
- Dafür ist das Leben dann doch zu kurz
- Wie… wie genau funktioniert das?
Wer zur zweiten Gruppe gehört, lässt sich im Ernstfall auf ein ganztägiges (!) Optimieren von Raketenbauteilen, Treibstoffmengen und Flugrouten ein, bei dem zwar am Ende pro forma jemand die meisten Siegpunkte erworben hat und sich Gewinner nennen darf – de facto ist es aber schon eine befriedigende Leistung, erfolgreich die Hürde der Regelwerke überwunden zu haben und eine Rakete mit Ach und Krach auf Ceres bruchzulanden.
Lieblingsdetail: Absätze wie der folgende.
Acetylene Rocketplane Liftoff – A Spacecraft may use factory-assist to exit (but not enter) an Atmospheric Site to allow movement into a lander burn by expending a special water cost using FTs at the Site. This water cost, which is expended without adding to the Spacecraft’s Wet or Dry Mass, is equal to a number of blue FTs equal to twice the initial Wet Mass of the Spacecraft. Then continue movement, treating the first lander burn as free and subsequent lander burns as burns that you cannot halt on. This represents winged boosters using fuels manufactured directly from the atmosphere.
Darum spiele ich es: Ich kämpfe mich gerne durch komplexe Regelwerke und freue mich, wenn das ganze Monstrum wider Erwarten tatsächlich funktioniert und ein thematisches und gerade so eben noch spielbares Endergebnis dabei herauskommt.
Obsession – Pride, Intrigue, and Prejudice in Victorian England (2018)
Designer: Dan Hallagan
Verlag: Kayenta Games
Empfehlung von: Corinna
Darum geht’s: Wir befinden uns in Derbyshire, im England des 19. Jahrhunderts. Du leitest eine Familie, die ihr Anwesen ausbaut, um gesellschaftliches Ansehen zu erhalten. Baue Räume aus, organisiere Sportveranstaltungen oder lade Gäste ein – doch hüte dich vor denen, die einen schlechten Ruf in dein Haus tragen.
Das Spiel hat mehrere Aspekte, die zusammengenommen das Ambiente schaffen. Einerseits geht es darum, durch den Ausbau des Anwesens Punkte zu generieren. Mit einer optimale Nutzung erhält man Vorteile durch Gästekarten, die einen Glücks- (oder Pechfaktor) beinhalten. Besonders die Gäste aus den USA bringen zwar dringend benötigtes Geld mit, verschlechtern aber den Ruf des Hauses. Und so braucht es Fingerspitzengefühl, Gäste nicht nur ein-, sondern auch auszuladen. Nicht zu vernachlässigen ist der gut überlegte Einsatz des Hauspersonals, welches arbeitswillig ist, aber deren wohl verdiente Ruhepausen einen bei der Planung immer wieder in Bedrängnis bringen. Geheime Siegpunktkarten, die dynamisch während des Spieles dazukommen und regelmäßig abgeworfen werden müssen, unterstützen bei der Strategieorientierung. Doch einer der wichtigsten Aspekte ist die Konkurrenz der Spieler*innen, wenn es darum geht, die Gunst von Lady oder Lord Fairchild zu erhalten. Denn diese bringen Ansehen oder gern gesehene Prestigegäste, und wer diese regelmäßig empfängt, der verwaltet ein blühendes und wachsendes Anwesen.
Lieblingsdetail: Jede Personenkarte verfügt über einen Flavourtext, und es bereitet (nicht nur mir) große Freude, die Aktionen verbal auszuschmücken und den Figuren und der Geschichte Leben einzuhauchen.
Darum spiele ich es: Als großer Downton Abbey Fan wird für mich die Serie hier lebendig. Mittlerweile gibt es eine Obsession-Fan-Gruppe bei der Wilden Zockerei, die ihre Spieletreffen in gar fürnehmen Häusern mit einer Teatime zelebriert. Seitdem gehört diesem Spiel ein großer Platz in meinem Zockerherzen.
Pax Renaissance 2nd Ed. (2021)
Designer: Phil Eklund
Verlag: Ion Game Design
Empfehlung von: Manuel
Darum geht’s: Machtgeschiebe mit allen Mitteln zu Zeiten der Renaissance.
Wir verkörpern Banker und deren Banken zu Zeiten der Renaissance und versuchen auf verschiedenste Arten und Weisen unseren Einfluss in West- und Osteuropa geltend zu machen.
Egal, ob Bauernaufstände, Hochzeiten, Adelsaufstände, heilige Kriege oder ähnliches – jedes Mittel ist Recht und erlaubt. Solange es nur bezahlbar ist. Ein Clou des Spiels ist, dass es zwar 5 verschiedene Siegbedingungen gibt, wir als Spieler bestimmen aber selbst, welche aktiv ist.
Der Grundmotor des Spiels sind Karten die Pax-typisch in einem Markt ausgelegt werden und je nach Platz unterschiedlich viel kosten. Dieser Markt ist wie die Karte selbst in West und Ost getrennt. Es reicht aber nicht diese Karte nur zu kaufen, man muss sie auch ausspielen. Meist erlaubt das eine einmalige Aktion und ermöglicht im eigenen Tableau eine dauerhafte zusätzliche Fähigkeit, wenn dieses (wieder getrennt in West und Ost) aktiviert wird. So baut man sich über die Zeit eine eigene Engine auf. Doch all das kostet Aktionen, von denen man im eigenen Zug nur zwei hat.
Das Spiel ist auf (beeinflussbares) Chaos und Taktik ausgelegt, denn jede Aktion bringt meist eine unvorhergesehene Reaktion mit sich. Und ab drei Spielern beginnt ein massives Hauen und Stechen um Königreiche und Republiken, Messer werden in Rücken gestoßen, um sich kurz darauf doch wieder zu verbünden – einfach grandios mit dazugehörigem Tabletalk. Wenn man so etwas mag.
Die Spielzeit liegt zwischen 30-120 Minuten. In einer Partie mit 4 Spielern sind ca. ⅕ der möglichen Karten im Spiel; sprich der Wiederspielwert ist enorm und es wird definitiv NIE ein Spiel wie das andere sein.
Lieblingsdetail: Nichts ist lohnender als eine tolle Engine aufgebaut zu haben, diese dann zu zünden und eine schöne Kettenreaktion vom Stapel zu lassen. Genial!
Darum spiele ich es: Ich liebe die Spiele von Eklund. Für mich ist er, bei allen Kontroversen um seine Person und seine Ansichten, ein Genie. Kaum jemand vermag Thema und Spielmechanik besser ineinander zu verarbeiten und ein Monster von Spiel zu designen, das einen zwar erst überfordert, aber dann richtig grandios ist, wenn man es einmal durchdrungen hat.
Root – A Game of Woodland Might and Right (2018)
Designer: Cole Wehrle
Verlag: Leder Games
Empfehlung von: Simona, Janina, Florian
Darum geht’s: Asymmetrisches Ringen um die Kontrolle im Märchenwald.
Root kommt wie ein süßes, kleines Tierspiel im Wald daher, dabei ist es ein gnadenloser Krieg zwischen asymmetrischen Fraktionen. Viele (niedliche!) Meeple auf dem Brett, anderen Spieler*innen den Weg zum Sieg verbauen, Punkte mopsen und ihre Gebäude, Pläne und Träume kaputt machen sind unsere liebsten Spielmechaniken.
Root kann zwar auch solo oder zu zweit mit optionaler Bot-Fraktion gespielt werden, aber mit vier oder fünf Spieler*innen entfaltet sich das Zusammenspiel der diversen Mechanismen erst richtig: Dann wird mit einem Messer in der Hand hinter dem Rücken gespielt. Anfangs gibt es noch Verbündete, die sich gegen die oder den vermeintlich vorne Liegenden zusammenschließen, nur um dann jegliche Absprache, Freundschaft oder Blutsverwandtschaft zu vergessen, wenn zwei entscheidende Punkte darauf warten, eingeheimst zu werden, in dem eine wichtige Lichtung niedergebrannt wird.
Herzstück von Root sind die vielen verschiedenen Fraktionen, die mit allen Mitteln um die Vorherrschaft in Ihrem Wald kämpfen. Auch wenn es allen darum geht, zuerst 30 Siegpunkte angesammelt zu haben, unterscheiden sie sich drastisch, was die Regeln und das „Look and Feel“ angeht. Eine kleine Auswahl unserer Lieblinge:
Die Ratten vermehren sich extrem schnell und ziehen dann in Horden über das Brett, um alles in Schutt und Asche zu legen. „Oh ich kann nochmal angreifen? Na gut, dann mache ich das auch“.
Der Echsenkult kann durch Konvertierung gegnerischer Spielfiguren und Gebäude überall auf der Karte erscheinen. Passt man nicht auf, ist die Sekte plötzlich überall. Beginnt man sie anzugreifen, verleihen die gestorbenen Märtyrer dem Kult extra Aktionen.
Der einstiegsfreundliche Vagabund verfügt nur über eine einzige Spielfigur, kann sich relativ frei über das Brett bewegen und hat viele verschiedene Wege, um Siegpunkte zu sammeln – in einem Spiel ist man freundliche Helfer*in der Mitspieler*innen und handelt fleißig Gegenstände mit Ihnen, im nächsten Spiel macht man sich mit Mord und Brandschatzung alle zu Feind*innen.
Die Otter sind Kriegsprofiteure, die Ihre Karten und Dienstleistungen an die anderen Spieler*innen verhökern – und mit mehr Profit immer gefährlicher werden.
Für wen ist Root geeignet: Für Menschen, deren Freundschaft an der Tischkante aufhört.
Für wen ist Root nichts: Menschen, die chaotische und hinterhältige Entwicklungen nicht verkraften.
Scythe (2016)
Designer: Jamey Stegmaier
Verlag: Stonemaier Games, Feuerland (deutsche Version)
Empfehlung von: André
Darum geht’s: Eine dystopische Parallelwelt im Osteuropa der 1920er mit Mechs und Landwirtschaft.
Scythe ist ein Spieldesign, das so eigentlich gar nicht hätte funktionieren dürfen. Normalerweise läuft der Prozess der Spielentwicklung auf eine von zwei Weisen ab:
- Man hat eine interessante Mechanik und drumherum entsteht ein Spiel.
- Man hat ein interessantes Thema und drumherum entsteht ein Spiel.
Bei Scythe gab es erst einmal nur Bilder. Jakub Rozalski ist ein polnischer Künstler, der unter dem Namen Mr. Werewolf seine Bilder über ein Internetportal der Öffentlichkeit zur Verfügung stellte und damit eine kleine Fanbase für die von ihm geschaffene Welt aufbauen konnte.
Diese Welt ist ein alternate history-Szenario, das in den 1920er Jahren in Osteuropa angesiedelt ist. Inspiriert durch Steampunk-Geschichten sind diese Bilder geprägt von bäuerlicher Landwirtschaft auf der einen Seite und übermenschlich großen, mit schweren Geschützen ausgestatten Mechs auf der anderen Seite. Darüber hinaus gibt es starke, menschliche Anführer*innen mit fast mythisch anmutenden tierischen Begleitern (abgerichtete Bären, Wölfe, Tiger, Adler uvm.).
Die von Rozalski geschaffene Welt hat ihren Weg zum Spieleerfinder Jamie Stegmaier gefunden, bei dem sie offenbar sofort resoniert hat. Herausgekommen ist mit Scythe ein Spiel, das auf eine gewisse Art schräg und ebenso fantastisch ist.
In einem ökonomisch-militärischem Wettlauf versuchen wir Gebiete für uns zu beanspruchen, unsere Wirtschaft aufzubauen, Erfahrungen zu sammeln und Ziele zu erreichen. Dabei gelingt es dem Spiel sowohl belohnend als auch herausfordernd zu sein. Man kann Effekte freischalten, Gebäude bauen, Technologien weiterentwickeln, eigene Mechs ins Spiel bringen und seine Anführerin/seinen Anführer samt tierischem Begleiter auf Erkundungstour schicken. Dabei locken spannende Begegnungen (Encounters), die die Spielenden vor moralische Entscheidungen stellen, aber satte Beute versprechen.
Die Kirsche auf der sprichwörtlichen Sahnetorte ist das Fabrikfeld in der Mitte. Einmal erreicht, schaltet man damit ein zusätzliches und starkes Aktionsfeld frei. Bis zum Schluss gehalten, zählt es dreimal so viel wie ein gewöhnliches Feld für die Endwertung. So kommt ein reizvolles King-of-the-Hill-Element hinzu, das die Spielenden noch etwas näher aneinander rücken lässt und mehr Interaktion verspricht.
Scythe hat für mich genau das richtige Mischungsverhältnis aus Spannung, Herausforderung, Belohnung, Interaktion und Thema. Dabei ist es immer genau so lang, dass dem Spiel nicht die Luft ausgeht. Ein großartiges Erlebnis!
Für wen ist Scythe: Wer thematische Spiele mit einem grundsoliden Mechanismus schätzt und vor Interaktion nicht zurückschreckt.
Für wen ist Scythe nichts: Menschen, die vorwiegend zu zweit spielen oder direkten Konflikt scheuen.